Opferwidder

Anton_Dietmar

Widderprozession nach Obermauern

Am Weißsamstag, so nennt sich der erste Samstag nach Ostern, findet sie alljährlich statt, die Widderprozession zur Wallfahrtskirche Maria Schnee. Im Ortsteil Obermauern treffen die zwei Bittprozessionen aus Prägraten und aus Virgen zusammen. Eine der beiden Gemeinden führt einen weißen Widder mit sich, der mit Bändern und Blumen geschmückt ist. Gemeinsam ziehen sie hinauf zur Wallfahrtskirche Maria Schnee, wo das „Opfertier“ nach altem Ritual vor der Messe dreimal um den Altar geführt wird.

Jedes Jahr übernimmt eine Fraktion von Virgen oder Prägraten die Haltung des Opferwidders. Im heurigen Jahr ist Göriach-Marin an der Reihe. Die Familie Mariner Andreas hat die ehrenvolle Aufgabe, den weißen gehörnten Steinschafwidder zu halten, zu pflegen und ihn für den großen Auftritt vorzubereiten. Der Halter hatte früher das Recht, in der Gemeinde als Entschädigung den „Widderweizen“ einzusammeln, heute erhält er eine finanzielle Entschädigung.

Das Virgentaler Opferwidder-Brauchtum gründet sich auf ein Verlöbnis aus dem 17. Jahrhundert. Damals herrschte in der Region eine verheerende Pestepidemie. Laut Überlieferungen haben die Virger und Prägratner in ärgster Not Zuflucht zu Gott gesucht und eine jährliche Prozession mit einem weißen Widder nach Lavant verlobt, um von der Pest erlöst zu werden. Ein bekanntes Votivbild in der Obermaurer Wallfahrtskirche, das einen mit dem Tod ringenden Widder darstellt, zeugt von diesem immerwährenden Verlöbnis.

Seit 1920 wird der „Lauantwidder“, wie er umgangssprachlich noch immer bezeichnet wird, nicht mehr nach Lavant, sondern nach Obermauern geführt. Wurde das Tier in früherer Zeit nach der Messe versteigert, so ist man jetzt zum Losverkauf übergegangen. Der Gewinn daraus kommt heutzutage den Pfarrgemeinden von Virgen und Prägraten a.G. zu Gute. Der glückliche Gewinner darf den Widder behalten oder weiterverkaufen.

Die Anerkennung des Virgentaler Opferwidders als „Immaterielles Kulturerbe“ erfolgte auf Antrag der Bürgermeister der beiden Gemeinden, Dietmar Ruggenthaler und Anton Steiner. Eine Empfehlung zur Aufnahme gab auch Universitätsprofessor Dr. Olaf Bockhorn. Der Ethnologe mit engem Virgenbezug hat sich eingehend mit dem Brauch beschäftigt und eine ausführliche Dokumentation verfasst. Solche gibt es auch von dem aus Virgen stammenden Volkskundler Mag. Reinhard Bodner und dem Leiter des Innsbrucker Volkskunstmuseums Mag. Karl C. Berger.

Das Brauchtum des Virgentaler Opferwidders wurde von Generation zu Generation weitergegeben, hat sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt und der Zeit angepasst. Sind viele ähnliche Traditionen in anderen Orten im Laufe der Zeit abgekommen, so hat die des Virgentaler Opferwidders die Jahrhunderte überlebt und wird auch künftig von den Gläubigen fortgeführt werden. Während der gemeinschaftliche Zug in der Vergangenheit etwa dabei half, die traumatischen Erfahrungen von Seuchen zu bewältigen, dient er heute der Stärkung der Dorfgemeinschaft und wohl auch der Identität.

Die Opferwidderprozession ist ein lebendiges Beispiel für Brauchtum, das noch gebraucht wird. Wer es selber miterleben möchte, hat jedes Jahr am Weißsamstag die Möglichkeit dazu: Ausgangspunkt für die Wallfahrt sind die jeweiligen Pfarrkirchen der beiden Gemeinden. Die Gläubigen treffen sich am  um 7:30 Uhr in Prägraten a.G. bzw. um 8:15 Uhr in Virgen. Die beiden Bittprozessionen kommen in Obermauern zusammen und zie

hen gemeinsam in die Wallfahrtskirche Maria Schnee, wo um 9:00 Uhr der Gottesdienst gefeiert wird. Im Anschluss daran findet die Widderverlosung vor der Kirche statt.

Der Virgentaler Opferwidder

Die Widderprozession nach Obermauern ist seit 2015 im österreichische Verzeichnis des „Immateriellen Kulturerbes der UNESCO“. Die offizielle Verleihung dieser Auszeichnung an die Gemeinden Prägraten a.G. und Virgen erfolgte am 26. April 2015 durch die Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission, Botschafterin i.R. Dr. Eva Nowotny in St. Florian in Oberösterreich.

Die Auszeichung wurde von beiden Bürgermesitern übernommen. Bei der Verleihung war auch Gutachter Prof. Dr. Olaf Bockhorn anwesend - ein Österreich weit anerkannter Volkskundler und Kenner unserer Widderprozession. 

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