Gerlinde
Haid, die große Österreichische Volkskundlerin, beschreibt diesen Brauch und
dessen Verbreitung. Sie ortete ihn noch an verschiedensten Terminen (1. Sonntag
in der Fastenzeit, Ostern, und wie bei uns an Johannes und Peter und Paul) in
verschiedenen Orten in Südwestdeutschland, der Schweiz, in Vorarlberg, im
Südtiroler Vinschgau und in Tirol noch in der Gegend von Landeck und bei uns in
Prägraten.
Ursprünglich
als Sonnenkult mit heidnischen Wurzeln wurde das Scheibenschlagen von der
Obrigkeit wegen Sittenwidrigkeit und Brandgefahr bekämpft.
Erstmals
urkundlich erwähnt ist das Scheibenschlagen 1090, als eine Scheibe Teile des
Klosters Lorsch in der Nähe von Mannheim in Brand steckte.
Grundsätzlich
war das Scheibenschlagen in Prägraten immer eine mystische Angelegenheit, und
zwar fast ausschließlich für die Burschen. Man kann sagen, für viele war es das
erste Mal (für eine Zigarette – meistens eh nur „gewutzelte Blisse“, einen
Schluck Bier von den Älteren, etc).
Es
wurde schon die Tage vor dem Johannistag eine Zeremonie eröffnet. Die Scheiben
wurden mit dem Fuchsschwanz oder der Bogensäge herunter „gefranget“. Die Ränder
gehackt. Die Löcher mit dem Handbohrer (Windling) gebohrt. Die Wachtler
geschnitten und im Trog gewassert. Ganz hart wurde auf den 23. Juni hin
gefiebert.
Endlich
war am Johannis-Abend die Sonne unter gegangen. Dann erleuchteten auf den
talnahen „Eggelan“ die Feuer. Pünktlich ums Dunkelwerden war nur mehr die Glut
in den Feuern, ein Idealzustand um die Scheiben zu braten. Nun ertönten weit
hörbar die Juchetzer, immer ein Zeichen, dass wieder einmal eine Scheibe
besonders gut segelte. Sowie eine Scheibe gut angebraten war oder auch nicht,
erfolgte vielfach die Frage: „Geht meine?“. Dann wurde die Scheibe mit dem
Wachtler getrieben und zumeist nach vorne weg geschlagen. Es gab fast überall
Sprüche beim Schlagen der Scheibe, leider kann sich in Prägraten niemand mehr so
genau daran erinnern. Manche meinen sogar, dass es mehrere gegeben hätte. Sie
werden wohl so ähnlich gelautet haben, wie jener aus der Landecker Gegend: „Dei
Scheibe, dei Scheibe, dei will i hetz treibm, Schmolz in da Pfönn, Kiachlan in
da Wönn, en Pflüg in da Eagn, dass dei Scheibe weit aus‘n mog „floign“.
Der
fröhliche Reigen wurde mit dem Schlagen der Nachscheibe beendet. Meistens rollte
dieses unförmige, überdimensionierte Ding eh nur den Abhang hinunter. Das war
der Hauptteil des Brauches, der sich dann am 24. (Johannistag), 28. (Peter und
Pauls-Abend) und am 29. (Peter und Pauls-Tag) wiederholte.
Der
Brauch bestand aber noch aus zwei weiteren Elementen. Immer am Folgetag, zumeist
hatte man sich auch noch den gesamten Vormittag in der Schule quälen müssen,
ging man die gebrauchten Scheiben aufsammeln. Dabei durchstreifte man nicht
selten die Flugbahnen anderer Scheibenschlagertrupps. Dies barg zwei Vorteile:
einmal brauchte man nicht mühsam neue Scheiben herrichten und was nicht minder
wichtig war, die gebrauchten Scheiben waren viel schneller fertig
„gebraten“.
Womit
man beim dritten Element des Brauches angekommen ist. Natürlich war es nicht
verborgen geblieben, wer die Scheiben „aufgeklaubt“ (geklaut) hatte. Dies roch
förmlich nach Rache und ein „Nachtschwärmer“ war angesagt. Dabei wurden nicht
nur die vermeintlich eigenen Scheiben zurück erobert, es soll auch die eine oder
andere Flasche Bier unfreiwillig den Besitzer gewechselt haben.
In
der Zwischenzeit hat sich der Brauch zu einem echten Familienereignis
entwickelt. Vereine, Gruppen, Freundeskreise, ja ganze Agrargemeinschaften
werden die besten Plätze entlang der Waldwege reservieren und dort den alten
Brauch pflegen. Es gibt sogar schon Gäste, die extra diese Zeit für einen
Kurzurlaub in Prägraten wählen.