Scheibenschlagen

Ein uralter Prädinger Brauch

GDE_PaG_20100018Gerlinde Haid, die große Österreichische Volkskundlerin, beschreibt diesen Brauch und dessen Verbreitung. Sie ortete ihn noch an verschiedensten Terminen (1. Sonntag in der Fastenzeit, Ostern, und wie bei uns an Johannes und Peter und Paul) in verschiedenen Orten in Südwestdeutschland, der Schweiz, in Vorarlberg, im Südtiroler Vinschgau und in Tirol noch in der Gegend von Landeck und bei uns in Prägraten.

Ursprünglich als Sonnenkult mit heidnischen Wurzeln wurde das Scheibenschlagen von der Obrigkeit wegen Sittenwidrigkeit und Brandgefahr bekämpft.

GDE_PaG_20100148Erstmals urkundlich erwähnt ist das Scheibenschlagen 1090, als eine Scheibe Teile des Klosters Lorsch in der Nähe von Mannheim in Brand steckte.

Grundsätzlich war das Scheibenschlagen in Prägraten immer eine mystische Angelegenheit, und zwar fast ausschließlich für die Burschen. Man kann sagen, für viele war es das erste Mal (für eine Zigarette – meistens eh nur „gewutzelte Blisse“, einen Schluck Bier von den Älteren, etc).

Es wurde schon die Tage vor dem Johannistag eine Zeremonie eröffnet. Die Scheiben wurden mit dem Fuchsschwanz oder der Bogensäge herunter „gefranget“. Die Ränder gehackt. Die Löcher mit dem Handbohrer (Windling) gebohrt. Die Wachtler geschnitten und im Trog gewassert. Ganz hart wurde auf den 23. Juni hin gefiebert.

Endlich war am Johannis-Abend die Sonne unter gegangen. Dann erleuchteten auf den talnahen „Eggelan“ die Feuer. Pünktlich ums Dunkelwerden war nur mehr die Glut in den Feuern, ein Idealzustand um die Scheiben zu braten. Nun ertönten weit hörbar die Juchetzer, immer ein Zeichen, dass wieder einmal eine Scheibe besonders gut segelte. Sowie eine Scheibe gut angebraten war oder auch nicht, erfolgte vielfach die Frage: „Geht meine?“. Dann wurde die Scheibe mit dem Wachtler getrieben und zumeist nach vorne weg geschlagen. Es gab fast überall Sprüche beim Schlagen der Scheibe, leider kann sich in Prägraten niemand mehr so genau daran erinnern. Manche meinen sogar, dass es mehrere gegeben hätte. Sie werden wohl so ähnlich gelautet haben, wie jener aus der Landecker Gegend: „Dei Scheibe, dei Scheibe, dei will i hetz treibm, Schmolz in da Pfönn, Kiachlan in da Wönn, en Pflüg in da Eagn, dass dei Scheibe weit aus‘n mog „floign“.

Der fröhliche Reigen wurde mit dem Schlagen der Nachscheibe beendet. Meistens rollte dieses unförmige, überdimensionierte Ding eh nur den Abhang hinunter. Das war der Hauptteil des Brauches, der sich dann am 24. (Johannistag), 28. (Peter und Pauls-Abend) und am 29. (Peter und Pauls-Tag) wiederholte.

Der Brauch bestand aber noch aus zwei weiteren Elementen. Immer am Folgetag, zumeist hatte man sich auch noch den gesamten Vormittag in der Schule quälen müssen, ging man die gebrauchten Scheiben aufsammeln. Dabei durchstreifte man nicht selten die Flugbahnen anderer Scheibenschlagertrupps. Dies barg zwei Vorteile: einmal brauchte man nicht mühsam neue Scheiben herrichten und was nicht minder wichtig war, die gebrauchten Scheiben waren viel schneller fertig „gebraten“.

Womit man beim dritten Element des Brauches angekommen ist. Natürlich war es nicht verborgen geblieben, wer die Scheiben „aufgeklaubt“ (geklaut) hatte. Dies roch förmlich nach Rache und ein „Nachtschwärmer“ war angesagt. Dabei wurden nicht nur die vermeintlich eigenen Scheiben zurück erobert, es soll auch die eine oder andere Flasche Bier unfreiwillig den Besitzer gewechselt haben.

In der Zwischenzeit hat sich der Brauch zu einem echten Familienereignis entwickelt. Vereine, Gruppen, Freundeskreise, ja ganze Agrargemeinschaften werden die besten Plätze entlang der Waldwege reservieren und dort den alten Brauch pflegen. Es gibt sogar schon Gäste, die extra diese Zeit für einen Kurzurlaub in Prägraten wählen.